RBW21
ÜBER DIE KUNST, DAS KAPITAL UND KARL MARX
1994    RBW 21
Kunstradio

Einen akustischen Eindruck von der Atmosphäre im Milieu der Moskauer Künstlerkolonie am Petrowski Boulevard 12 vermitteln Gue Schmidt und Fritz Fro von der Künstlerformation RBW21 ihren Hörern mit diesem 1992 entstandenen Radiostück.
"Über die Kunst, das Kapital und Karl Marx" diskutierten Mitglieder der russischen Künstlergruppe "DER WEISSE FLUSS" anläßlich der Eröffnung einer Ausstellung am Petrowski Boulevard im Jahre 1992.
Dazu eingeladen war im Rahmen eines russisch-österreichischen Kulturaustauschprogrammes auch der Grazer Kulturverein "RHIZOM". Gue Schmidt, einer der österreichischen Gäste, zeichnete die Gespräche samt akustischer Kulisse auf, um daraus - so der Autor - "eine Skizze eines russischen Gesellschaftsbildes am Beispiel der Künstlergruppe "DER WEISSE FLUSS" zu entwerfen": "Der Umgang mit den Themen Kunst, Kapital und Karl Marx, wird nicht - wei vielleicht durch bestimmte Meldungen aus letzter Zeit angenommen werden könnte - mit dogmatischer Vehemenz geführt, sondern, wie dieses Radiostück beweisen soll, von einer ausgesprochenen Melancholie getragen, welche nur in der russischen Mentalität ihren Ausdruck findet."

Durch das Sample-Verfahren wird das Gesprochene rhythmisiert, die Worte erhalten eine Klangmelodie, die der melancholischen Stimmung am Ort entspricht.
Im O-Ton Material der Diskussion kommt die feine Ironie, mit der die russischen Künstler ihr gesellschaftliches Umfeld, aber auch sich selbst betrachten, nicht zum Ausdruck. Die Rekonstruktion des Ironischen gelang Gue Schmidt durch den Einbau von geloopten Gesprächsfetzen und Worten im Stück. Folkloristische Elemente, wie etwa Akkordeonmusik, erklingen im Hintergrund und mischen sich in den Klang und Rhythmus des Gesprächs. Das akustische Stimmungsbild des Trinkgelages der Diskutanten, für dessen Skizzierung Gue Schmidt ausschließlich die O-Tonaufnahmen aus der Moskauer Künstlerkolonie verwendet hat, erscheint fast irreal und von der Wirklichkeit des russischen Alltags abgekoppelt und istoliert. Erst die Straßengeräusche, die gegen Ende des Stücks in die Hörszene eindringen, lassen die Verbindung mit der Realität und die Rückkehr der Beteiligten in die Moskauer "Außenwelt" erahnen. Durch die (teilweise) Auflösung der fremden (russischen) Sprache in Klang und Rhythmus vermeidet der Autor a priori Sprachbarrieren zwischen den russischen Künstlern und ORF-Kunstradio HörerInnen. Gue Schmidt wertet seine akustische Zeichnung und Charakterisierung einer hörbar offenen, selbstironischen und seltsam humorig-melancholischen Künstlergemeinschaft ... "als Versuch, das Feindbild vom Fremden zu überwinden".